Hallo Ihr Lieben, es ist viel passiert.
Nachdem sich Chris erholt hatte und sich im Krankenhaus in Rushan versichert hatte, dass sein Blutdruck auf Normalniveau war, fühlte er sich so gut um nach Khorog, der einzig wirklichen Stadt im Pamir, zu radeln. Er radelte die 67km ohne Probleme an einem Nachmittag.
Übrigens waren die Behandlungen/Blutdruckmessungen stets umsonst und das obwohl dafür immer das komplette weibliche Klinikpersonal einberufen wurde – oder vielleicht gerade deswegen? ;-)
Mitten im grünen Park von Khorog fanden wir einen netten Homestay. Wir durften in einem echten Pamiri-Haus schlafen und es gab sogar eine Sitztoilette (normal gibt es hier nur Steh-Plumsklos, was für uns mal wieder gewöhnungsbedürftig ist und denen wir den Toilettengang in der Natur immer vorziehen).

Hier blieben wir zwei Nächte und unternahmen auf eigene Faust eine schöne Tageswanderung im Shokh Dara Valley, mit dem Hintergedanken, dass sich Chris dadurch noch besser akklimatisieren würde. Es heißt ja: „go high, sleep low“ und so ließen wir uns ein paar hundert Höhenmeter weiter hinauf bringen, um von dort aus an einem wunderschönen Fluss entlang noch etwas höher hinauf zu wandern. Chris fühlte sich sehr gut und wir genossen beide den sonnigen Tag in den Bergen. Nachdem Chris Zustand seit Rushan stabil blieb entschieden wir weiterzuradeln. Allerdings nicht wie im Flieger geplant über das Wakhan Valley, denn da würden wir irgendwann in entlegene und im Notfall zu einsame Gegenden kommen. Außerdem bräuchten wir für diese Strecke mehr Zeit, wollten aber nicht eilen, sondern Chris Körper Gelegenheit geben, um sich an die weiteren Höhen anpassen zu können. So radelten wir Samstagmorgen guter Dinge und frohen 
Mutes auf dem eigentlichen Pamir Highway (der befahren ist und auf dem wir so im Notfall leichter eine Mitfahrgelegenheit bekommen könnten) Richtung Jelondy. Es war ein wunderschöner Sommertag mit blauem Himmel über den braun-kargen Bergen und überall am Wegesrand grüßten uns die freundlichen Tadschiken und die Kinder rannten uns aus den Höfen „hello“-schreiend entgegen. Die ähnlich wie in Indien bunt gekleideten Frauen halten sich eher etwas zurück und sind auffällig oft sehr hübsch. Gerade ist die Zeit der Heuernte und so sieht man überall Menschen auf den meist abfallenden Wiesen in der Hitze arbeiten. Die Einladungen zu Cay und Brot erinnerten uns an unsere letzte Reise und unser erster Eindruck wurde bestätigt, dass die Tadschiken ein sehr ehrliches, gastfreundliches Volk sind. Immer wieder waren wir von schneebedeckten Bergspitzen entzückt und von dem wundervoll würzigen Duft der Bergkräuter, der uns den ganzen Tag begleitete, wahrscheinlich durch die Heuernte verstärkt.
Für den Aufstieg zum ersten Pass auf 4200m wollten wir uns vier Tage Zeit lassen und jeden Tag nur maximal 500m steigen. Doch bereits nach Ende dieser ersten Etappe, auf 2600m Höhe, kündigten sich die gleichen Probleme wieder an. Schwindel, Kopfschmerzen, Herzrasen. Aus irgendeinem Grund, den wir zurück in Deutschland versuchen abzuklären, gelingt es Chris Körper nicht wie normal sich an die Höhe anzupassen.

Wir durften vor Ort bei einer großen Bauernfamilie im Garten zelten und halfen, nachdem es Chris nach einer Suppe wieder besser ging, aus Dank und Neugier bei der mühsamen Heuernte mit, wie sie bei uns so ähnlich vor vielen Jahrzehnten noch betrieben wurde. Dabei durchliefen wir alle Schritte: mit der kleinen Sichel bzw. mit der großen Sense das lange Grass abschneiden, dann das angetrocknete Grass zusammen tragen/rechen und Bündel daraus binden, um diese dann in die Sonne zum trocknen zu legen. Es war ein schönes Erlebnis mit den Menschen zu arbeiten und dann am Abend mit ihnen am lecker gedeckten Tisch sitzen zu dürfen.
Immer nach dem Essen scheint es Chris wieder schlechter zu gehen und das Herzrasen hindert ihn am einschlafen. Am nächsten Morgen ging es ihm zwar wieder gut, jedoch entschieden wir schweren Herzens, dass wir nun die Tour abrechen werden, nachdem er bereits auf so relativ „niederer“ Höhe (2600m) Gesundheitsprobleme hat. Wie es ihm dann auf 4600m Höhe gehen würde wollten wir nicht austesten.
Der weitere Weg durch den Pamir, nicht nur per Fahrrad, auch per Auto, wäre ein schlecht kalkulierbares Risiko. Denn auch mit dem „Taxi“ müssten wir mindestens eine Nacht auf knapp 4.000m Höhe verbringen.
Es war eine gute Entscheidung nach Khorog zurückzuradeln, denn 10km bevor wir die Stadt erreichten fühlte sich Chris wieder so schlecht, dass er sich das letzte Stück sogar mit dem Auto ins Krankenhaus fahren lassen musste. Wir dachten in dem großen Krankenhaus in Khorog würde sich bestimmt ein englisch sprechender Arzt finden, doch leider wurden wir nicht nur in dieser Hinsicht enttäuscht. Wie unglaublich glücklich können wir uns in Deutschland über unser Gesundheitssystem und Krankenhausstandart schätzen! Die schmutzige Kammer, die übereifrige Reaktion der russisch sprechenden Krankenschwester, die uns nicht zuhören wollte, gleich alles auf Chris Magenprobleme schob und ihm sofort eine Infusion anlegte, von der wir nicht wussten was sie beinhaltete und zuletzt der Versuch ihm eine Spritze gegen Schmerzen zu verpassen, obwohl er keine wirklichen Schmerzen hatte – all dies veranlasste uns dazu so schnell wie möglich diesen Ort zu verlassen und unseren ruhigen Homestay aufzusuchen. Im Nachhinein hörten wir von einer in Khorog lebenden Deutschen, dass das Krankenhaus wahrscheinlich noch nicht einmal auf dem Stand sei, den unsere Krankenhäuser nach dem zweiten Weltkrieg gehabt hätten und das man es wirklich nur im äußersten Notfall aufsuchen sollte.
Den Rest des Tages verbrachte Chris im dunklen Pamiri-Haus und wollte nur noch nach Hause. Gott sei Dank bekam Jasmin für die Organisation der Rückreise nach Dushanbe super Unterstützung von einer junge Frau von PECTA, einer Organisation der Agha Khan-Stiftung für Ecotourismus, die den Touristen gute Informationen und super Hilfe bei der Planung und Durchführung von Touren im Pamir bietet. Noch am Abend packten wir die Räder und Taschen in einen Jeep, den wir mit Fahrer für uns alleine gechartert hatten, um dann früh am nächsten Morgen die 12-stündige Holperfahrt zurück anzutreten. Chris ging es Gott sei Dank gut, fast als ob nichts gewesen wäre und so erreichten wir gestern Abend die brütend heiße Hauptstadt.
Die Flüge zu buchen war eine längere Sache, aber auch die haben wir nun und so werden wir Donnerstagmittag in Frankfurt ankommen und die letzten anderthalb Wochen unseres Urlaubs bei unseren Familien verbringen.
Etwas traurig, aber überzeugt dass es das Richtige war, werden wir das interessante Tadschikistan also schneller verlassen als geplant, jedoch bestimmt eines Tages zurück kommen um das Abenteuer Pamir Highway erneut zu wagen.
Bis zur nächsten Reise hier auf unserem Blog
Eure Jasmin und Chris